Gerade jetzt in der Zeit, wo so viele von Euch vorfreudig die Babybäuche streicheln - möchte ich mit Euch einen interessanten Artikel von Susanne Billig teilen.
Michel Odent - Enfant Terrible der Geburtsmedizin
Michel
Odent ist weit über 80, doch an Ruhestand denkt er nicht. Seit
inzwischen mehreren Jahrzehnten setzt sich der streitbare Arzt für eine
andere Geburtsmedizin ein. Jetzt hat der Franzose das Buch "Generation
Kaiserschnitt" geschrieben.
"Es geht darum, erstmal
die richtige Frage zu stellen. Ich hab gerade ein Buch veröffentlicht,
dass nur noch aus Fragen besteht! Und dann kann man auch interessante
Antworten dafür finden."
Die einheimischen Kulturen
Nordamerikas, die Maori in Neuseeland, die Bewohner von Hawaii und schon
die alten Ägypter – sie alle brachten ihre Kinder im Wasser zur Welt.
Moderner Pionier dieser Methode und jahrzehntelanger Querdenker der
Geburtsmedizin ist der französische Arzt Michel Odent. In den
1970er-Jahren stellte er kurzerhand ein aufblasbares Planschbecken in
den Kreißsaal – entspannte Geborgenheit für die werdende Mutter;
Neugeborene sind durch ihren Tauchreflex geschützt.
"Ich
finde, man sollte für gar nichts Werbung machen oder etwas propagieren
– auch nicht die natürliche Geburt. Mich hat die Frage interessiert: Was
ist für eine Frau, die entbindet, das Beste? Was braucht sie? Was muss
man ihr geben?"
Als einen, der hartnäckig Fragen stellt und die Medizin zu gescheiten Antworten zwingen möchte, so sieht sich Michel Odent. Geboren 1930, leitete er mehr als zwei Jahrzehnte die Gynäkologie einer nordfranzösischen Klinik, bevor er nach London übersiedelte, ein Institut gründete, Geburtsforschung betrieb – und viele neue Fragen stellte. Als die Frauenbewegung Klinikgeburten als steril und seelenlos kritisierte, lieferte Michel Odent in Bestseller-Büchern und Vorträgen die wissenschaftliche Munition. Warum, so fragte er, ignoriert der Krankenhausbetrieb, dass die Großhirnrinde einer gebärenden Frau, all das Sprechen und Denken, zur Ruhe kommen muss? Seien Frauen nicht darauf angewiesen, ihre Kinder instinktiv zur Welt zu bringen? Gesteuert von archaischen Hirnregionen?
Als einen, der hartnäckig Fragen stellt und die Medizin zu gescheiten Antworten zwingen möchte, so sieht sich Michel Odent. Geboren 1930, leitete er mehr als zwei Jahrzehnte die Gynäkologie einer nordfranzösischen Klinik, bevor er nach London übersiedelte, ein Institut gründete, Geburtsforschung betrieb – und viele neue Fragen stellte. Als die Frauenbewegung Klinikgeburten als steril und seelenlos kritisierte, lieferte Michel Odent in Bestseller-Büchern und Vorträgen die wissenschaftliche Munition. Warum, so fragte er, ignoriert der Krankenhausbetrieb, dass die Großhirnrinde einer gebärenden Frau, all das Sprechen und Denken, zur Ruhe kommen muss? Seien Frauen nicht darauf angewiesen, ihre Kinder instinktiv zur Welt zu bringen? Gesteuert von archaischen Hirnregionen?
Am Ort der Geburt müsse es still werden
Statt
den Kreißsaal grell auszuleuchten und emsige Betriebsamkeit zu
entfalten, müsse es am Ort der Geburt still werden, wortlos und dunkel –
nur dann kann eine Frau sich in die "Geburtstrance" fallen lassen.
"Dann
hat man das Gefühl, als würde sie sich von der Welt abschneiden. Sie
vergisst alles, was um sie herum geschieht; sie vergisst all ihre Pläne,
alles, was sie in Büchern gelesen hat und sie benimmt sich auf eine Art
und Weise, die von einer zivilisierten Frau normalerweise überhaupt
nicht akzeptiert werden würde. Und Frauen finden dann plötzlich ganz
bizarre Positionen, die sie sich selber ausdenken in diesem Moment,
unerwartete Positionen, manchmal sind die primitiv – sie sind wie auf
einem anderen Planeten."
Nur in Trance schüttet der gebärende Körper Hormone aus, die Mutter und Kind die Stunden der Geburt erleichtern und eine liebevolle Bindung unterstützen. Tatsächlich sieht sich der französische Arzt von der modernen Bakteriologie und "Psychoneuroimmunologie" unterstützt – wo man erkennt, wie wichtig das frühe Umfeld eines Säuglings für ein gesundes Immunsystem ist.
"Wir sind jetzt kurz vor dem Abgrund. Frauen müssen diese sogenannten Liebeshormone nicht mehr ausschütten, um ein Kind zur Welt zu bringen. Das ist die Extremsituation. Wir müssen in Frage stellen, was wir uns kulturell erarbeitet haben."
Nur in Trance schüttet der gebärende Körper Hormone aus, die Mutter und Kind die Stunden der Geburt erleichtern und eine liebevolle Bindung unterstützen. Tatsächlich sieht sich der französische Arzt von der modernen Bakteriologie und "Psychoneuroimmunologie" unterstützt – wo man erkennt, wie wichtig das frühe Umfeld eines Säuglings für ein gesundes Immunsystem ist.
"Wir sind jetzt kurz vor dem Abgrund. Frauen müssen diese sogenannten Liebeshormone nicht mehr ausschütten, um ein Kind zur Welt zu bringen. Das ist die Extremsituation. Wir müssen in Frage stellen, was wir uns kulturell erarbeitet haben."
Männer hätten bei einer Gebärenden nichts zu suchen
Die
Stimme sanft, in der Sache beharrlich – das ist Michel Odents
Markenzeichen. Männer, meinte er vor einigen Jahren, hätten bei einer
Gebärenden nichts zu suchen, sie verbreiteten zu viel Nervosität. Und
seine Medizinerkollegen seien auf Medikamente und Kaiserschnitte
fixiert, weil sie zu enge Kontakte zur Industrie pflegten. Besser
sollten sie sich eine seiner großen Fragen stellen: Welche Folgen hat es
für die Menschheit, wenn Generationen von Kindern ohne "Liebeshormone"
zur Welt kommen müssen? Ein Fundamentalkritiker der modernen Medizin,
die Mütter- und Säuglingssterblichkeit erheblich senken konnte, will
Michel Odent nicht sein.
"Natürlich, wenn eine Geburt nicht
komplikationsfrei verläuft, dann ist es sehr gut, dass wir solche
modernen Mittel wie den Kaiserschnitt zur Verfügung haben. Ich habe ja
nur gesagt, dass das Umfeld einer Frau heutzutage ein ganz anderes
Umfeld ist als noch vor einem Jahrhundert und dass es viel mehr
allergische Krankheiten gibt, viel mehr autoimmune Krankheiten wie
Diabetes gibt. Als Ausgangspunkt für unseren Beruf müssen eben diese
Fragen der Physiologie geklärt werden."
Michel Odents Vorstöße blieben nicht ohne Kritik. Er wolle die Herrschaft über die Geburt nur auf sanfte Weise an sich reißen, kritisierte eine neue Generation von Feministinnen. Mediziner geißelten ihn als vorsintflutlich. Den französischen Arzt ficht das nicht an. Noch mit fast neunzig stellt er seine Fragen – und hofft auf eine lange Zukunft.
Michel Odents Vorstöße blieben nicht ohne Kritik. Er wolle die Herrschaft über die Geburt nur auf sanfte Weise an sich reißen, kritisierte eine neue Generation von Feministinnen. Mediziner geißelten ihn als vorsintflutlich. Den französischen Arzt ficht das nicht an. Noch mit fast neunzig stellt er seine Fragen – und hofft auf eine lange Zukunft.
"Wenn
Sie mich in zehn oder zwanzig Jahren noch mal einladen, dann bin ich
vielleicht etwas mutiger und würde Ihnen Antworten geben auf die Fragen,
die ich heute gestellt habe. Bis bald."
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